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The Cover of an Interresting book on Handke and Josef Beuys.....below Handk's commemorative piece on the painter Schumacher

Sueddeutsche Zeitung vom 06.10.1999 Seite 20 (Region Deutschland)
FEUILLETON
Alles, was der Fall ist
Emil Schumacher, ferne Figur. Ferne Figur? / Von Peter Handke
Mag sein, nicht wenigen Betrachtern der Bilder Emil Schumachers, der juengsten ebenso wie der aelteren, werden diese auf den ersten Blick reihum bekannt vorkommen. Und dazu schon die Fragen, oder Einwuerfe: Wie geht das zusammen - Betrachter und auf den ersten Blick? Und Bekannt woher?
Bekannt aus anderen Bilderausstellungen? Anderer Maler? Vielleicht. Ja, vielleicht sogar vieler anderer Maler, aus aller Herren und auch Nicht-Herren Laender, und vielleicht nicht bloss der letzten Zeit, sondern des halben vergangenen Jahrhunderts.
Wem es mit den Gemaelden Emil Schumachers etwa so ergeht, dem wird das aber auf den zweiten Blick gleich wieder vergehen, freilich nicht in dem Sinn, wie ein Appetit einem vergeht - gerade umgekehrt: in dem Sinn einer Lusterweckung, oder Augenoeffnung, in der Weise einer Erweiterung des Blickfelds durch das Hinzutreten des - wieder einmal sich bewaehrendes Wort der Umgangssprache - inneren Auges. Und dieses verstaerkt seine Wirkung noch mit dem dritten, dem vierten Blick, und so fort: bis eben aus dem unsteten Hinschauer erst jener stete Betrachter geworden ist.
Allerdings muessen dann die jeweiligen Bilder auch danach sein. Emil Schumachers Bilder sind danach. Sie ermoeglichen ein Betrachten, worin sie mir zuletzt (und solches zuletzt heisst nicht Abschluss) grundanders bekannt erscheinen als in der ein wenig ueberdruessigen Bekanntheitsempfindung des ersten Blicks: Sie duenken mich, in der durch sie ermoeglichten Betrachtung, bekannt als Bilder aus dem eigenen Leben - dem unbekannten eigenen Leben. Nur dem eigenen? Nein: dem unbekannten, groesseren, in dem auch mein eigenes, das des Betrachters, mitspielt, und zwar nicht bloss passiv, aufs Betrachtertum beschraenkt: Schumachers Bilder lassen mich einen Spielraum ahnen - einen Handlungsspielraum, den groesstmoeglichen. Dazu hier noch die Antwort des Malers auf meine Frage, ob es ihm etwas ausmachte, wuerden seine Arbeiten mit denen anderer verwechselt: Und ob es mir etwas ausmachte!
Versuch einer Andeutung, inwiefern einen Betrachter das Werk dieses nun schon recht alten, doch keineswegs greisen deutschen Meisters einmalig - mehr als bloss unverwechselbar - anmuten kann: Zunaechst etwa das ziemlich einmalige Gleichgewicht im Farben-Geschehen, zwischen Vorgegebenem, Zufaelligem, Unwillkuerlichem und Bedachtem, bei Fehlern eines jeden Willkuerakts. - Selbst das fuer Schumacher so bezeichnende Bild-Zerstoeren ist jeweils das gerade Gegenteil von Willkuer; und auch es ist mit den anderen genannten Werkantriebskraeften im Gleichgewicht; wirkt (Zerstoer-Geste als eine Antriebskraft unter mehreren) mit zusammen zum Gleichgewicht des ganzen Bildes. Hier an dieser Stelle das Durchscheinen der Leinwand oder des Holzes; dort das Eigenleben der (meist OEl-)Farben, als Verrinnen, als Aufbrechen zu Vieleckmustern wie ein austrocknender Flussbettlehm; und an einer dritten Stelle der Eingriff der Malerhand (Ich nehme eine Farbe, wie ich in einen Apfel beisse); und an einer vierten etwa der UEbergang vom Malen zum Zeichnen oder Linieren (Ich reisse eine Linie zur Abwehr oder zum Angriff) - keine solcher Stellen aber mit einem hoeheren Stellenwert als die andere, auch die oft eingebaute Materie, Sand, Schrauben, Naegel und desgleichen, niemals vordringlich (Von der Materie zum Material); und dergestalt bereits Bild fuer Bild jenes typisch-persoenliche Schumacherische Gleichgewicht.
Einmalig dann auch, was dem Betrachter mit der Zeit als Schumachers klare Unbestimmtheit vor Augen treten kann: Unbestimmt, und unbestimmbar, ob die Bilder auf der puren, planen Flaeche, der Leinwand oder des Holzes, spielen oder nicht doch im Raum, in Raeumen? Eine Antwort darauf wird keinmal moeglich, und das zum Glueck der Bilder wie auch des Betrachters. Weder wird je ein, ob ornamentales oder abstrakt-expressives, Farb- und Form-Flaechenspiel eindeutig, noch andererseits je ein Perspektive, Raum, Horizonte und Tiefe vorstellendes Figuren- und Landschaftsgemaelde.
Ebenso zeigen Schumachers Bilder zwar, an der Hand ihrer Konturen, etwas wie ein Aussen und Innen, Unten und Oben, Vorne und Hinten, doch bleibt auch da klar unbestimmbar, auf welcher Seite der Konturen oder auch bloss voneinander abgesetzten Farbflaechen Aussen und Innen zu denken sind. Zu denken - im Sinn von Denkbildern - freilich ist dies angesichts der Schumacherischen Malerei alles zusammen: Flaeche und Raum, Aussen und Innen, Koerper und Luft, Figur und Nichtfigur. Und so war es vielleicht falsch zu sagen, seine Bilder spielen: Ihre Einmaligkeit besteht vor allem darin, dass sie Grenzziehungen - eben nicht spielen, sondern jeweils sind. (Deswegen das Wort des Malers hoechstselbst von der Gefaehrlichkeit des Malaktes?)
Zu solchen Grenzziehungen gehoert, dass sie nirgends etwas vorspiegeln duerfen, weder Spiel- oder nach aussen gewendete Seelen-Flaeche, noch die Fluchtpunkte gleich welchen Raumes; das Bild darf kein vorbedachtes oder zufaellig in Kauf genommenes Umsprungbild, Innen/Aussen, Unten/Oben sein; das malerische Grenzziehen muss, statt einer blossen aesthetischen Spielregel, einem jeweilig ungewissen, unbestimmten, dabei bestimmenden Gesetz folgen. Und das Schumacherische Gesetz erscheint dem Betrachter als ein eher strenges, ja bedrohliches.
Und doch zuletzt (nicht abschliessend) auf jedem Bild jener befreiende Schlenker, eine blosse zusaetzliche Kontur vielleicht, die der alte Maler uebermuetig und schelmisch Wesen nennt - Geschenk oder Zugabe des mit Formgewissenhaftigkeit erfuellten Gesetzes? Auch das, bitte hinschauen, Teil der Schumacherischen Einmaligkeit.
Beispiel solchen UEbermuts, wie er dann gar ueber die blosse Zusatzkontur hinausgehen und das ganze Bild sein kann: Jene klare, eindeutige Darstellung eines Gegenstands, jener Zwiebel, ins Riesenhafte, gar Paradieshafte gesteigert, fast die gesamte grosse Malflaeche ausfuellend, maechtig-dunkel, samt den gleich Antennen aufschiessenden Trieben. Frage an den Maler: Ist fuer Sie diese einmal rein gegenstaendliche Darstellung nicht erstaunlich? Antwort des Malers: Ja, ist so eine Zwiebel nicht ein erstaunliches Ding?!
Ich betrachte Emil Schumachers Arbeiten als Grenzziehungen, oder Grenzerweiterungen, Grenzlandschaften, oder vielleicht eher noch als Schwellenlandschaften - auch in einem anderen Sinn als dem einer UEbergaenglichkeit, eines staendigen Hin und Her zwischen eruptiver Expression entschlossen-linearer Figuerlichkeit, zwischen wie verzweifelter Zerstoerung der Figur und dem Platzanweisen der Zerstoer-Geste wiederum im ganzen Bild (den Zerstoerungsakt dem Bilde einverleiben): Als Grenz- oder Schwellenlandschaften erlebe ich sie zusaetzlich, indem Schumachers Bilder mir, mit zunehmender Betrachtung, eine Ursituation der Menschheit vergegenwaertigen.
Es draengt sich mir da naemlich jene einstige Zwischenstation zwischen spontanem, zeichenlosem Reden und den ersten Anzeichen, ersten Regeln einer Schrift auf. Schumachers Gemaelde erscheinen mir demnach als Gleichnisse jenes uralten Hin und Her, Einander-Durchdringens und Erweiterns zwischen zwanglosem Reden und kodifiziertem Aufschreiben, Hin und Her, Her und Hin.
Auszug aus einem Text, den Peter Handke 1997 fuer die Schumacher-Retrospektive im Haus der Kunst geschrieben hat.
Schumacher, Emil / Kultur deutscher Maler; Prof.
Datenbank SZ
Dokumentennummer: A9260488


PETER POMGARTZ

 



JAN VOSS


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